Perlen auf IQES 2 (20.06.2024)
Mit Kooperativem Lernen verstehen, denken und gemeinsam arbeiten lernen (Karina Toth und Daniela Giefing)
In diesem Beitrag möchten wir – Daniela Giefing und Karina Toth - unsere positiven Erfahrungen mit kooperativen Lernformen weitergeben und die Leser/innen ermutigen, diesen aktiven, schülerorientierten Lernprozess in ihrem Unterricht anzuwenden. Mittels Kooperativem Lernen entwickeln Schüler/innen Problemlösungsstrategien und langfristige Lernstrategien sowie Teamkompetenz, die sie benötigen, um den Herausforderungen des (Berufs-)Lebens in unserer zunehmend komplexen Welt zu begegnen.
Durch die Einführung kooperativer Lernformen im Unterricht ist es uns gelungen, die kognitive Aktivierung unserer Schüler/innen deutlich zu erhöhen, ihre Beziehungen untereinander zu verbessern und ihre fachlichen Leistungen zu steigern.
Methodenkoffer Kooperatives Lernen 1 - IQES online:
https://www.iqesonline.net/lernen/kooperatives-lernen/methodenkoffer-kooperatives-lernen-1/
Warum Kooperatives Lernen?
Zitat zum Kooperativen Lernen von IQES online
Quelle: IQES online
Wesentliche Kompetenzen, über die Lernende im 21. Jahrhundert verfügen sollen, lauten: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Sie sollen Schüler/innen dazu befähigen, sich fachkundig in einer digitalen und vernetzten Welt zurechtzufinden. Lernen ist heutzutage mehr als die individuelle Aneignung und Reproduktion von kognitiven Lerninhalten. Es ist ein aktiver Prozess, in dem wir Lehrende unsere Schüler/innen begleiten und unterstützen, ihr Wissen und Können in Lerngruppen zur Problemlösung anzuwenden.
Neben dem neuen Lehrplan, der auf diese vier Kompetenzen Bezug nimmt, finden sich auch im Qualitätsrahmen für Schulen in der Dimension „Lernen und Lehren“ verbindliche Qualitätskriterien für die Unterrichtsgestaltung z. B. ausreichende kognitive Aktivierung, Förderung der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Lernenden oder ein hohes Ausmaß an aktiver Lernzeit. Die vielfältigen Methoden des Kooperativen Lernens erfüllen in hohem Maße diese Anforderungen und Erwartungen an einen zeitgemäßen Unterricht und eine zukunftsfitte Schule.
Was ist Kooperatives Lernen?
Kooperatives Lernen nach Brüning und Saum (2006) meint nicht einfach nur in Gruppen zu arbeiten. Es ist auch keine einzelne Unterrichtsmethode oder Sammlung von Methoden. Es geht dabei darum, dass der Unterricht so strukturiert wird, dass die Schüler/innen nach der Einzelarbeit immer in Kooperation mit einer/einem Partner/in oder in einer Kleingruppe ihre Ergebnisse austauschen, sich korrigieren oder ergänzen und ihr Wissen erweitern.
Kooperatives Lernen
Bildquelle: IQES online
Im Anschluss stellen sie dann ihre Ergebnisse vor. Jede/r einzelne ist jedoch für sein Lernen verantwortlich und muss in der Phase der Präsentation darüber Rechenschaft ablegen können. Kooperatives Lernen schließt auch andere Unterrichtsformen nicht aus. Ganz im Gegenteil - die Kombination aus direkter Instruktion und kooperativem Unterricht führt zu nachhaltigeren Lernergebnissen (vgl. Brüning & Saum 2006, Wellenreuther 2004, S. 368 ff).
Wie geht man beim Einsatz von kooperativen Lernformen vor?
Das Grundprinzip von kooperativen Lernformen lautet Think – Pair – Share (Denken – Austauschen – Vorstellen). Dieser Dreischritt ist für die erfolgreiche Umsetzung dieses Unterrichtsprinzips unerlässlich und stellt die Basis dar.
Theorie wird Praxis - das Partnerpuzzle
Im Folgenden möchten wir eine bekannte Methode des Kooperativen Lernens – das Partnerpuzzle – näher erläutern. Der in der Tabelle verwendete Methodenaufbau ist auf der IQES- Plattform unter „Das Partnerpuzzle” abrufbar und für alle Jahrgangsstufen geeignet.
Partnerpuzzle: https://www.iqesonline.net/lernen/kooperatives-lernen/methodenkoffer-kooperatives-lernen-1/#partnerarbeit
(Das Partnerpuzzle ist eines von mehreren kooperativen Methoden auf IQES online.)
Methodenbeschreibung Partnerpuzzle auf IQES online - | Ludger Brüning & Tobias Saum, Seite 1
Methodenbeschreibung Partnerpuzzle auf IQES online - | Ludger Brüning & Tobias Saum, Seite 2
Selbst erprobtes Praxisbeispiel: „Die Welt der Säugetiere: Faszinierende Fakten und erstaunliche Vielfalt!“
Das konkrete Praxisbeispiel aus dem Unterrichtsfach Biologie und Umweltbildung zum Thema „Die Welt der Säugetiere: Faszinierende Fakten und erstaunliche Vielfalt!“ wurde von uns selbst erprobt und in der 5. Schulstufe durchgeführt. Es stellt einen Teil einer kompetenzorientierten Unterrichtssequenz dar und umfasst zwei Unterrichtseinheiten. Das nachfolgende Beispiel wurde von uns in der Praxis durchgeführt mit dem Ziel, ein hohes Maß an Schüler/innenaktivierung zu erreichen sowie die Merkmale der Säugetiere mithilfe des Partnerpuzzles zu erarbeiten und zu festigen.
Der thematische Einstieg erfolgt in Form eines Pre-Assessements, um zum einen das Vorwissen der Lernenden zu aktivieren und zum anderen die Unterrichtsgestaltung danach ausrichten zu können. Dazu werden den Schüler/innen zwei Bilder präsentiert, das Bild eines Menschen und das eines Hasen. Die Lernenden sollen als „Biodetektive" in Partnerarbeit Gemeinsamkeiten zwischen den beiden abgebildeten Lebewesen herausfinden und diese schriftlich festhalten. Im anschließenden Plenum werden die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Basierend auf den Erkenntnissen der Schüler/innen findet in der folgenden Unterrichtsstunde das Partnerpuzzle statt, bei dem die spezifischen Merkmale der Säugetiere erarbeitet werden.
AUFBAU DER METHODE | PRAXISBEISPIEL | ||
VORBEREITUNG |
Ein Themengebiet wird in zwei Teilbereiche oder- aufgaben geteilt. Die Aufgaben werden so verteilt, dass an jedem Gruppentisch zwei Schüler/innen die Aufgabe A und zwei die Aufgabe B erhalten. |
Sechs Merkmale der Säugetiere werden auf je drei Merkmale aufgeteilt und auf zwei Arbeitsblättern bereitgestellt. Schüler/innen der Gruppe A erhalten ein Arbeitsblatt mit drei Merkmalen, Schüler/innen der Gruppe B erhalten die anderen drei Merkmale. | |
1. SCHRITT: INDIVIDUELLE ERARBEITUNG |
Die Schüler/innen bearbeiten ihre Aufgabe in Einzelarbeit. Sie lesen einen Text, lösen eine Mathematikaufgabe oder führen ein Experiment durch. | Die Lernenden lesen sich die Merkmale der Säugetiere durch und markieren Schlüsselbegriffe. Die markierten Begriffe schreiben die Schüler/innen stichwortartig auf, um sich auf diese Weise die Begriffe einzuprägen. | THINK |
2. SCHRITT: KOOPERATIVE ERARBEITUNG |
Die zwei Schüler/innen mit derselben Aufgabe vergleichen ihre Ergebnisse und können sich gegenseitig Erklärungen geben oder korrigieren. So werden sie zu Expert/innen für ihren Gegenstand. |
Die Lernenden der Gruppe A tauschen sich nun aus, indem sie sich gegenseitig die Schlüsselbegriffe erklären, ebenso verfahren die Schüler/innen der Gruppe B. | PAIR |
3. SCHRITT: VERMITTLUNGSPHASE |
Jetzt bilden A und B ein neues Paar. Zunächst stellt Schüler A seinen Gegenstand dem neuen Partner B vor und beantwortet Rückfragen. Schüler B notiert sich alles und kann anschließend Rückfragen stellen. Dann unterrichtet die Person B und A notiert und stellt Rückfragen. In dieser Phase lernen die Schüler/innen das voneinander, was der/die jeweilige Partner/in ihnen vorgestellt hat. |
Die Schüler/innen der Gruppe A berichten nun den Lernenden der Gruppe B über die Merkmale der Säugetiere auf ihrem Blatt. Die Schüler/innen der Gruppe B machen sich Notizen über die wichtigsten Informationen und können Rückfragen stellen. Danach vermitteln die Lernenden der Gruppe B ihr Wissen über die (anderen drei) Merkmale und Gruppe A macht sich Notizen. | SHARE |
4. SCHRITT: DOPPELTER BODEN |
Die Paare gehen wieder zu der/dem Partner/in zurück, welche/r dasselbe Thema bearbeitet hat. Jetzt können sie sich wechselseitig die Dinge erläutern, die sie in der Vermittlungsphase noch nicht richtig verstanden haben und so letzte Wissenslücken schließen. |
Die Lernenden der Gruppe A bilden in dieser Phase erneut ein Paar, ebenso die Mitglieder der Gruppe B. Es kann nochmals nachgefragt und letzte Wissenslücken geschlossen werden. Am Ende des Partnerpuzzles wurde von den Schüler/innen als Ergebnissicherung ein Mind Map mit allen Merkmalen ins Heft geschrieben. |
Da die Schüler/innen bereits Erfahrung mit dem 3-Schritt (Think-Pair-Share) hatten, verlief die Durchführung des Partnerpuzzles wie geplant. Die Ergebnissicherung erfolgte in der darauffolgenden Stunde in Form einer schriftlichen Wiederholung der Merkmale der Säugetiere.
Die KOOP-Box: Tipps für einen gelingenden Transfer - aus der Praxis für die Praxis
Die KOOP-Box (Kooperative Lernformenbox) beinhaltet wesentliche Fragestellungen, die bei der Planung und Durchführung einer kooperativen Lernform im Vorhinein bedacht werden sollen, damit die Umsetzung gelingt.
Abbildung: Die KOOP-Box
Bildquelle: www.pixabay.com (leicht abgeändert)
Abbildung: Die KOOP-Box; Bildquelle: www.pixabay.com (leicht abgeändert)
Weitere Tipps zur Gruppenbildung finden Sie auf der IQES-Plattform unter https://www.iqesonline.net/lernen/kooperatives-lernen/methodenkoffer-kooperatives-lernen-2/
Fazit
Die vielfältigen Methoden des Kooperativen Lernens wie Placemat, Partnerpuzzle, Lerntempoduett, Gruppenturnier, Gruppenrallye, strukturierte Kontroverse uvm. sind im Methodenkoffer 1 und 2 auf IQES anwenderfreundlich aufbereitet und können von den Lehrpersonen direkt in den Unterricht übernommen werden. Die einzelnen Methoden und ihr Ablauf werden Schritt für Schritt erklärt und mit wertvollen Tipps für die Praxis ergänzt. Und das Beste ist: Jede/r kann die Methoden individuell variieren und ganz nach seinen Bedürfnissen anpassen.
(OPTIMAL: Kooperatives Lernen stärkt nachweislich nicht nur das fachliche Lernen, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl, erhöht die individuelle Verantwortungsübernahme, fördert die Ausbildung sozialer Fähigkeiten und die direkte Interaktion der Schüler/innen. Damit Kooperatives Lernen seine ganze Wirkung entfalten kann, muss der vorgestellte 3-Schritt "Think-Pair-Share" ein fixer Bestandteil der Unterrichtsform werden.)
Wir hoffen, wir konnten Sie mit unseren Ausführungen inspirieren und in Ihnen den Wunsch wecken, die eine oder andere kooperative Lernmethode im Unterricht auszuprobieren
Wir wünschen viel Spaß dabei! 😊
Literatur:
- Brüning, L. & Saum, T. (2006). Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen (Bd. 1: Strategien zur Schüleraktivierung). Essen: NDS Verlag.
- Wellenreuther, M. (2004). Lehren und Lernen – aber wie? Empirisch-experimentelle Forschungen zum Lehren und Lernen im Unterricht. Grundlagen der Schulpädagogik, Bd. 50., Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.
Autorinnen:
Karina Toth (Lehrende an der PPH Burgenland und Lehrerin am Wimmer Gymnasium, 7432 Oberschützen) und Daniela Giefing (Lehrende an der PPH Burgenland und Lehrerin an der MS Mattersburg)
Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung:
letzte Aktualisierung: 20.06.2024